Raunen über den Juden

SPRECHERPOSITION Einen tief gründenen Antisemitismus bescheinigt Tuvia Tenenbom den Deutschen in „Allein unter Deutschen“. Jetzt stellt er seine „Entdeckungsreise“ vor

Ein gewisses Verständnis vom Witz und seiner Wirkweise ist hier hilfreich

VON ALEXANDER DIEHL

Kommt ein Jude nach Deutschland … Moment!, rufen Sie, das klingt wie der Anfang eines Witzes? Eines Witzes von der Sorte, also, wir wissen gar nicht recht, ob man die machen darf … Seien Sie beruhigt: In der Sache, von der hier zu reden ist, ist ein gewisses Verständnis vom Witz und seiner Wirkweise hilfreich. Sonst lässt man sich möglicherweise allzu schnell verstricken in den Tumult, für den Tuvia Tenenboms Buch „Allein unter Deutschen“ bei Erscheinen hierzulande gesorgt hat.

Eigentlich auch schon davor. Denn eigentlich hatte der New Yorker Dramatiker, Theatermacher und Journalist Tenenbom das Buch bei Rowohlt herausbringen sollen. Warum es dazu nicht kam, nun, da kursieren wenigstens zwei Darstellungen. Die eine operiert mit starken Worten: Zensur! Antisemitismus! Sie handelt von einem deutschen Verleger, der einem jüdischen Autor mit Herablassung begegnet sei – und verlangt haben soll, antisemitische Äußerungen aus deutschen Mündern ins Gegenteil zu beschönigen.

Die andere Erzählung kann da nicht ganz mithalten: Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen verwies Rowohlt etwa auf „unbestreitbare persönlichkeitsrechtliche Einwände“, denen abzuhelfen Tenenbom sich geweigert habe. Am Ende verlegte „Allein unter Deutschen“ dann der Suhrkamp-Verlag – wenn auch in seiner ramschigen „nova“-Reihe.

Lautet der deutsche Untertitel „Eine Entdeckungsreise“, ist die zwischenzeitlich vom Autor selbst verlegte US-Ausgabe informativer: „I Sleep in Hitler’s Room“ heißt die, „An American Jew Visits Germany“. Kommt also ein Jude nach Deutschland, spricht mit Bettelarmen und Einflussreichen, lässt sich von Fremdenverkehrsverantwortlichen Übernachtungen zahlen und exklusiv in Kunstschätzen herumführen. Und er besucht – mancher stellt sich die Welt ja so vor – den linken und den rechten Rand, ganz außen, in Gestalt des berüchtigten Neonazi-Treffs „Club 88“.

Tenenbom stößt dabei – nicht nur zuletzt, sondern sogar ziemlich flächendeckend – auf ein Raunen über den Juden an und für sich und überhaupt. Mal mehr, mal weniger, mal gar nicht bemäntelten Antisemitismus also, den er, dann doch wieder ganz analytisch, aus einer anderen Quelle gespeist sieht als etwa den von islamistischen Moscheebesuchern in Duisburg: Deren Judenhass, schreibt er ganz am Ende, „wurzelt in der Politik oder in der Religion“, der deutsche dagegen „gründet tiefer“. Und das meint der mitunter begnadete Polemiker, anders als so vieles in diesem Buch, durchweg ernst.

■ So, 3. 3., 16 Uhr, Jüdische Gemeinde Hamburg, Talmud-Tora-Schule, Grindelhof 30; Do, 7. 3., 20 Uhr, Golem, Große Elbstraße 14 (Gespräch mit Hermann L. Gremliza); Fr, 8. 3., 20 Uhr, Rote Flora, Schulterblatt 71